Dieses Interview basiert auf einer Folge des torq.partners Finance Podcasts mit den Gästen Hanna Eisenblätter, Managerin, und Max Weinberg, Principal bei torq.partners. Die komplette Folge ist auf Spotify und YouTube als Videopodcast verfügbar.
Hanna: Ein großes Thema sind oft kleine, aber sehr wichtige Details, die man leicht übersieht – zum Beispiel Währungsdifferenzen in der Buchhaltung. Das sind 1-Cent-Differenzen, die sich summieren und vom System nicht automatisch ausgeglichen werden können, etwa in DATEV. Wenn man die nicht richtig einstellt, bläht sich die Buchhaltung unnötig auf. Zum Jahresabschluss wird das dann zum Problem, weil Steuerberater das oft nicht erkennen.
Max: Genau, und das zeigt, wie wichtig es ist, solche Prozesse von Anfang an sauber zu strukturieren. Sonst sitzt man irgendwann auf einem riesigen Chaos, das sehr aufwändig zu bereinigen ist.
Hanna: Die Komplexität steigt im eCommerce sehr schnell, gerade wenn man in viele Länder verkauft oder neue Märkte erschließt. Es macht Sinn, intern jemanden zu haben, der ein Auge auf die Prozesse hat und eng mit der Steuerberatung zusammenarbeitet. Denn externe Berater*innen bekommen nicht immer alle Details mit. Häufig erfährt man erst im Monatsabschluss von Umsätzen, die nicht richtig zugeordnet sind.
Max: Absolut. Man braucht eCommerce-Accounting-Expertise – entweder intern oder bei der Steuerberatung. Leider haben viele „normale“ Steuerberater*innen diese Erfahrung nicht. Ich empfehle oft mittelgroße Kanzleien mit eCommerce-Spezialisierung. So vermeidet man, dass Kunden jahrelang keine Jahresabschlüsse gemacht haben, weil die Steuerberatung die Komplexität nicht abdeckt.
Hanna: Ein großes Risiko sind zum Beispiel die OSS-Meldungen (One-Stop-Shop). Wenn man die nicht rechtzeitig abgibt oder bezahlt, verliert man die Vorteile des Systems – und das kann teuer und kompliziert werden.
Max: Im eCommerce arbeiten wir oft mit einem dreistufigen Margenmodell:
Gross Profit – alle einkaufsbezogenen Kosten
Deckungsbeitrag 2 – Vertriebskosten
Deckungsbeitrag 3 – Marketingkosten
Als Faustregel sollte der Gross Profit bei etwa 50 bis 75 Prozent liegen, um nach Abzug von Distributions- und Marketingkosten noch genug für den Overhead übrig zu haben. Das Geschäft ist extrem margensensibel. Man muss wirklich aufpassen, wie man einkauft, vertreibt und wirbt.
Max: Sehr oft wird nur der reine Einkaufspreis betrachtet, aber Kosten wie Inbound Shipping, Zölle oder Lagerkosten werden ausgelassen. Das verfälscht die COGS (Cost of Goods Sold) stark. Außerdem fehlt vielen Unternehmen das System, um komplexe Buchungen und Bestandsbewertungen sauber abzubilden. Das führt dazu, dass Margen am Monatsende nicht korrekt sind.
Hanna: Erstmal ist es wichtig, die Warenbewegungen und Lieferzeiten genau zu verstehen. Kommt die Ware innerhalb von wenigen Tagen an, ist es einfacher. Dauert der Transport Monate, schwanken die COGS stark. Dann spielt die Bestandsbewertung eine große Rolle: Welche Einkaufspreise nehme ich? Nur den letzten oder einen gewichteten Durchschnitt? Und stimmen die Zahlen überhaupt? Ein gutes System spiegelt am Monatsende verlässliche Werte wider, die sich nicht ständig wild verändern.
Max: Vernachlässigt das Thema nicht! Kümmert euch früh um qualifizierte Expert*innen – sei es eine erfahrene Steuerberatung oder ein*e CFO. Überschätzt euch nicht, denn das E-Commerce-Finanzmanagement ist sehr komplex.
Hanna: Dem kann ich nur zustimmen. Außerdem ist die Kommunikation im Unternehmen entscheidend: Finanz-Teams müssen eng mit Marketing, Operations und Produktentwicklung zusammenarbeiten, damit alle steuerlichen und finanziellen Besonderheiten rechtzeitig erkannt werden. Nur so kann man langfristig erfolgreich sein.